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Zeit der Ernte

«Man muss die Dinge vom Ende her betrachten…» sagt der ehemalige Verdingbub, und richtet sich ein wenig auf. Die Flucht vor dem stechenden Schmerz, der ihn ins Heim gezwungen hat, will nicht so recht gelingen. Staubpartikel tanzen in der Herbstsonne. Im Krankenzimmer ist es still.

Knecht sei er gewesen, immer schon. Gehabt hätte er nichts. «Wissen Sie, mit dem Rucksack war ich unterwegs. Da habe ich keinen Schrank zügeln müssen!» Unter dem graumelierten Bart spielt ein Lächeln. «Mit leichtem Gepäck lässt sich leicht reisen?» frage ich. «Ja, und man kommt leichter ans Ziel.»

«Das Ziel?» frage ich nach einer Pause. Aber Herr C. ist noch beim Weg. Gelassen zeichnet er ihn nach: Armut und Unrecht, Fremdsein, Gewalt und harte Arbeit für wenig Lohn - mein Wundern wächst. «Schwere Dinge sagen Sie, aber Sie wirken nicht, als ob sie sie belasten». Herr C. denkt nach. Eine Wolke wirft ihren Schatten in die Szene, als ob sie ein Geheimnis schützen wollte. Ich bin da, im stillen Gebet, in der Heiligkeit des Augenblicks und frage mich: werde ich guter Boden sein, um aufzunehmen, was sich hier ereignet? «Ich habe die schweren Dinge zurückgelassen», sagt er schlicht.

Mein eigenes Leben blitzt für einen Augenblick in mein Bewusstsein. «Ich musste jedes Mal entscheiden, wenn ich weiterzog, was in den Rucksack kommt und was zurückbleibt. So ist es mit allem», sagt er. «So ist es mit allem…» Das Echo klingt tief in mir. Herr C. blickt aus dem Fenster, er sieht meine Bewegung nicht.

«Und Ihr Leben, vom Ende her betrachtet?» «Die Ernte.» Er schaut mich an: «Es isch ein cheibe Chrampf gsii, aber am Obig isch mer au zfriede gsii. Bhalte chammer nüüt.» Ob er zufrieden sei, am Abend seines Lebens? «Dem Mäher ist es gleich, wie lang der Halm ist, und wie viele Körner die Ähre hat. Jede hat ihres getan, alles kommt in einen Topf.» «Wichtig ist, dass der Mäher alle Ähren mitnimmt?» «Genau.» Er lächelt. «Und jetzt hoffe ich, dass der Herrgott mich bald mitnimmt…». «Dann ist Erntedank?» «Dann ist Erntedank.»

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