„Jaaa?“ kling es schwach, als ich die Türe öffne. Das Zimmer ist wegen der grossen Hitze abgedunkelt. Frau Felder sitzt mit dem Rücken zur Tür. „Ich bin es, Frau Altoè von der Kirche“, kündige ich mich an. „Kommen Sie nur…“ Ich setze mich zu ihr. „Wie geht es Ihnen heute?“ „Nicht gut… Schmerzen. Und schlecht ist mir auch. Und die Leute mögen mich auch nicht. Wissen Sie, die reden immer Unsinn über mich…“ Frau Felders Lebertumor wächst. Sie weiss davon nichts. Wegen ihrer Demenz hat man ihr nicht gesagt, was in ihrem Bauch ihr mehr und mehr die Kräfte raubt…
„Spüren Sie, wie der Körper schwächer wird?“ frage ich behutsam. „Ja…“ nickt Frau Felder intensiv. „Ganz sicher!“ Ich lasse diese Gewissheit ein wenig verklingen. Sie greift nach meiner Hand. Dann lache ich unter der Maske: „Aber gell, die Seele wird immer stärker?“ Frau Felder lacht und runzelt dann die Stirn: „Aber Sie, das ist imfall wahr! Ich spüre eine grosse Kraft in der Seele!“ sie greift an das zarte Goldkreuz an ihrer Kette. Ich zeige mit dem Finger nach oben: „Da ist ein Stücklein Himmel in ihrem Herzen?“ – „Ja!“ Sie lacht verschmitzt, als ob zwei kleine Mädchen ein Geheimnis teilten.
„Beten wir wieder miteinander?“ fragt Frau Felder schliesslich, und nimmt ihren Rosenkranz. „Gern. Dann nehme ich meine Reisekirche aus der Tasche?“ Sie nickt. Ich lege ein kleines Kreuz auf ein weisses Tüchlein, eine winzige Muttergottes – Ikone dazu, und zünde ein Teelicht an. Dann wiederholen wir die vertrauten Worte. Die Zeit verschwimmt im Rhythmus der Perlen, ein heiliger Raum tut sich auf.
„Das war jetzt schön!“ sage ich. „Wie geht es Ihnen?“ „Gut, geht’s mir. Gut! Wissen Sie, ich bin zufrieden. Es sind alle nett hier.“ Die Schmerzen scheinen vergessen. „Und wenn es schwer wird, halten Sie sich ganz fest daran fest?“ frage ich, und deute auf den Rosenkranz, den sie umklammert hält. „Ja, den lasse ich nicht los!“ sagt sie bestimmt, und lacht gleichzeitig, „das wär denn no!“
Wir lachen: „Das ist gut! Gott hält sie auch ganz fest in seiner Hand!“ – „Ja, das weiss ich und das glaube ich! Wissen Sie, ohne das könnte ich nicht leben.“ – „Ja, das ist ein grosser Schatz, den sie da haben.“ – „Ja.“ Sagt Frau Felder, und schliesst die Augen. „Darf ich Sie bald wieder besuchen?“ frage ich – „Ja gern. Wenn die Kirche kommt, geht die Sonne auf!“
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