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  • Susanne Altoè

Der Kerl unter meinem Bett

«Er ist wirklich mühsam, der Kerl, der unter meinem Bett liegt…» «Ist er immer noch da?» frage ich Herrn Brigger, und erinnere mich, dass er schon vor einigen Monaten erwähnt hat, dass sich da einer unter seinem Bett wohnlich eingerichtet hätte. «Ja, schon drei Jahre, stellen Sie sich das vor! Und ich kann einfach nicht mehr schlafen! Darum möchte ich jetzt endlich heim!»

«Das klingt wirklich mühsam. Tut er Ihnen denn etwas in der Nacht?» Herr Brigger schüttelt den Kopf: «Nein, das würde er sich nicht trauen.» «Da bin ich aber froh», sage ich erleichtert. «Aber macht er denn Lärm?» «Nein, auch nicht direkt. Wissen Sie, wo die gelben Container stehen hinter dem Gebäude? Da schleicht er in der Nacht immer hin habe ich den Eindruck, dorthin, wo die Küche die Essensreste entsorgt.» «Aha?» entfährt es mir, und ich bin froh, dass Herr Brigger an mir vorbei schaut und meinen überraschten Gesichtsausdruck nicht bemerkt.


Eine Weile geht das Gespräch hin und her. Herr Brigger scheint sich einfach nicht mit dem Kerl unter seinem Bett arrangieren zu können. Und auch zum Ausziehen kann er ihn nicht bewegen. Das sei unmöglich, weil: der Kerl hätte einfach mehr zu sagen. Auf ihn, den alten Mann, höre sowieso niemand.

«Hm, was könnte man denn tun, dass es Ihnen besser geht?» «Ja wenn ich nur wieder einmal schlafen könnte! Das wäre schon etwas! Ich kann mich nicht einmal mehr drehen im Bett!» Angestrengt versuche ich, in Herrn Briggers Welt zu bleiben, und zu verstehen, was ihn so beschäftigt. Schliesslich rückt er heraus: «Ich kann mich nicht einmal mehr drehen, weil das Bett quietscht, und das würde ihn ja wecken!» Auf meine Frage, ob ihm das Angst mache, lacht Herr Brigger und sagt: «Nein, er tut mir ja nichts. Aber er soll ja auch schlafen können. Ich möchte einfach Rücksicht nehmen!»

«Herr Brigger, jetzt verstehe ich! Sie möchten Rücksicht nehmen. Aber wissen Sie was? Das ist IHR Zimmer, das ist IHR Bett! Hier müssen Sie auf niemanden Rücksicht nehmen. Wenn es den Kerl unter ihrem Bett stört, dann ist es doch sein Problem? Er kann ja ausziehen, oder?»

Verwundert blickt mich Herr Brigger an: «Eigentlich haben Sie recht! Daran habe ich noch gar nicht gedacht! Meinen Sie wirklich, dass ich einfach schlafen kann, ohne auf den Kerl Rücksicht zu nehmen?» «Bestimmt!» sage ich im Brustton der Überzeugung.

«Gut, dann will ich das mal versuchen. Wer weiss, vielleicht klappt es ja!» «Das wünsche ich Ihnen, Herr Brigger! Ich wünsche Ihnen einen guten Schlaf!» - «Danke, Ihnen auch! Sie haben hoffentlich keinen Kerl unter dem Bett!»

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